Chamäleons in St. Luce (Madagaskar)

Chamäleons in St. Luce (Madagaskar)

Verbreitung Wissenschaft

Das Schutzgebiet St. Luce liegt im Südosten Madagaskars, nur 34 km nördlich der Großstadt Tolagnaro (Fort Dauphin). Zum Schutzgebiet gehören Strände und Felsklippen an der Küste des Indischen Ozeans, Tieflandregenwald, Sumpfgebiet, savannenartige Ebenen, Flüsse und Lagunen. Der verbliebene Regenwald ist in viele kleine Fragmente zersplittert. In der Gegend gibt es außerdem ein sehr großes Minenprojekt zum Abbau seltener Erden. 12 von 17 Waldfragmente von St. Luce sind dabei von den Minenarbeiten betroffen. Eine Gruppe von Wissenschaftler hat nun die Herpetofauna des Gebiets näher untersucht.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden Reptilien und Amphibien in St. Luce gesucht und gefangen. Die Suchen wurden mit dem bloßen Auge entlang bestehender Transekte durchgeführt. Zusätzlich wurden Bodenfallen entlang vier je 100 m langer Linien über zwei Wochen genutzt. Fünf künstliche Unterschlupfmöglichkeiten und fünf Wellbleche wurden an insgesamt 12 Orten ausgelegt, um darunter nach einer gewissen Zeit nach Tieren zu sehen.  Proben von Schwanzspitzen und Zehen wurden entnommen und Vermessungen durchgeführt, danach wurden die Tiere wieder an ihren ursprünglichen Fundorten freigelassen. Mittels genetischer Untersuchungen wurden die Arten bestimmt.

Von 17 Regenwaldfragmenten in St. Luce fanden die Wissenschaftler nur eines intakt und ein weiteres zwar intakt, aber stark in sich fragmentiert vor. Alle anderen Waldfragmente wurden mit deutlichen Anzeichen von Habitatzerstörung vorgefunden. Insgesamt konnten 22 Amphibien- und 54 Reptilienarten nachgewiesen werden. Vier Arten von Chamäleons waren unter den Reptilien: Palleon sp. aff. Nasus, Calumma tjiasmantoi, Furcifer major und Furcifer verrucosus. Alle vier Chamäleonarten kamen ausschließlich in den noch verbliebenen intakten oder intakten Bereichen der Wälder Angalavinaky, Ambandrika und Andranangy/Amboronteny/Agnalaro vor. In den Wäldern, die durch die Mine bereits zerstört werden, kamen gar keine Chamäleons vor. Unter den insgesamt 76 gefundenen Amphibien- und Reptilienarten waren 13 candidate species, die vermutlich unbeschriebene neue Arten darstellen.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Artenvielfalt der Herpetofauna in St. Luce nach der vorliegenden Studie deutlich größer ist als früher angenommen. Sie schlagen vor, mehrere Waldfragmente in die “Mining Avoidance Zones“, also Gebiete, in denen nicht nach seltenen Erden gesucht werden soll, aufzunehmen und den Schutzstatus zu erhöhen.

A littoral treasure trove: a comprehensive assessment of the herpetofauna of Sainte Luce, southeastern Madagascar
Sam Hyde Roberts, Marco Sannolo, Hoby Tsimijaly Longosoa, Ryan Clark, Leo Jhaveri, Gonçalo M. Rosa, Walter Cocca, Franco Andreone, Angelica Crottini
Systematics and Biodiversity 23(1): 2513472
DOI: 10.1080/14772000.2025.2513472

Fotos: Aufnahmen gefundener Chamäleon in St. Luce aus der genannten Publikation

Vortrag in Krefeld über Madagaskar

Vortrag in Krefeld über Madagaskar

Vorträge

Der Leiter der DGHT Regionalgruppe Saar-Pfalz, Patrick Schönecker, zeigt am Freitag, 04. Juni 2025 in Krefeld einen tollen Vortrag über Madagaskar. Die Insel im Indischen Ozean ist das Mekka für herpetologisch interessierte Reisende. Über 90% der hier vorkommenden Reptilien und Amphibien ist endemisch – es gibt sie nirgendwo sonst auf der Welt. Patrick war schon mehrfach vor Ort. Im Vortrag berichtet er von den Regenwäldern im zentralen Hochland und hiesigen Schutzbemühungen. Aber auch hoch in den Norden bis auf die kleine Insel Nosy Hara geht es – ein extrem spezielles Habitat und Heimat des zweitkleinsten Chamäleons der Welt.

Patrick Schönecker Madagaskar – Artenschutz und Artenvielfalt
DGHT Regionalgruppe Mönchengladbach/Krefeld
Vereinsheim SC 08 Schiefbahn
Siedlerallee 27
47877 Willich-Schiefbahn
Veranstaltungsbeginn 19.00 Uhr

Foto: Calumma parsonii parsonii, fotografiert von Patrick Schönecker

Vortrag in Leipzig über Madagaskar

Vortrag in Leipzig über Madagaskar

Vorträge

Johannes Pfleiderer zeigt am Mittwoch, 04. Juni 2025 in Leipzig (Sachsen) einen bilderreichen Vortrag über Madagaskar. Die Insel im Indischen Ozean ist das Mekka für herpetologisch interessierte Reisende. Über 90% der hier vorkommenden Reptilien und Amphibien ist endemisch – es gibt sie nirgendwo sonst auf der Welt. Unter den Endemiten sind nicht nur sehr viele Chamäleons, sondern auch die bekannten Buntfröschchen mit ihren vielen verschiedenen Vertretern.

Johannes Pfleiderer Unterwegs zu Mantella & Co. – Zoologische Reiseeindrücke aus Madagaskar
DGHT Stadtgruppe Leipzig
Gaststätte Neumann
Strelitzer Straße 1
04157 Leipzig
Veranstaltungsbeginn 19.00 Uhr

Invasive Pflanze tötet Chamäleons

Invasive Pflanze tötet Chamäleons

Beobachtungen

Eine interessante Beobachtung machte ein Madagaskarreisender mit seinem Guide im letzten Jahr: In Ranomafana im südlichen Hochland der Insel beobachtete er zwei Mal, dass Calumma oshaughnessyi Jungtiere sich in einer invasiven Pflanze verfangen und offenbar in Folge dessen gestorben waren. Die Autoren vermuten, dass die Tiere sich nicht mehr von den kleinen, feinen Widerhaken der Pflanze lösen konnten und dadurch möglicherweise verhungerten.

Die betreffende Pflanze ist der Spanische Klee (Desmodium uncinatum), der sich heute bereits weltweit verbreitet hat. Er ist eine gute Futterpflanze für Vieh, das auf Madagaskar einen hohen Symbolwert hat. Aus Indien und Australien gibt es jedoch Fallberichte, laut denen sich Fledermäuse und andere kleine Säugetiere an den klett-ähnlichen Pflanzenstängeln verfingen und starben. Untersuchungen zu diesem Thema wären sicher spannend und insbesondere für Jungtiere von Chamäleons auch durchaus wichtig.

Natural History Notes: Calumma oshaughnessyi
Michael Nash, Patrick Adriamihaja
Herpetological Review 55(3), 2024
DOI: nicht vorhanden

Foto: aus der genannten Publikation

Madagaskar-Riesenchamäleon frisst Teppichchamäleon

Madagaskar-Riesenchamäleon frisst Teppichchamäleon

Beobachtungen Wissenschaft

Aus der Hauptstadt Madagaskars, Antananarivo, berichten drei Autoren von einer interessanten Beobachtung. In der Nähe von Akamasoa beobachteten sie ein männliches Furcifer oustaleti, das gerade dabei war, ein anderes Chamäleon zu verschlingen. Das Tier war nicht beim Jagen beobachtet worden. Das Opfer, vermutlich ein Tepichchamäleon (Furcifer lateralis), wurde innerhalb weniger Minuten vollständig verschlungen.

Die Beobachtung reiht sich ein in wenige spannende Sichtungen von relativ großen Chamäleons, die auf den ersten Blick „zu große“ Beute fressen. Es scheint aber nicht allzu oft vorzukommen, denn die existenten wenigen Beobachtungen verteilen sich über mehrere Jahrzehnte. Interessant ist, dass die neue Beobachtung in der Trockenzeit gemacht wurde, wenn die Insektendichte im Vergleich zur Regenzeit deutlich niedriger ist.

Predation on Furcifer sp. by Oustalet’s Chameleon, Furcifer oustaleti (Mocquard, 1894), in the Central Highlands of Madagascar
Angelinah René de Roland, Duvivier Razarazafy, Séraphin Fabrice
Herpetology Notes 18: 305-306.
DOI: nicht vorhanden

Foto: aus der genannten Veröffentlichung

Furcifer verrucosus im Magen einer Schlange entdeckt

Furcifer verrucosus im Magen einer Schlange entdeckt

Beobachtungen Wissenschaft

Einen kuriosen Fund machten Biologen der Universtität Michigan (USA) kürzlich: Sie untersuchten eine vor 31 Jahren präparierte Schlange der Art Langaha madagascariensis per Sektion und MikroCT. Das Präparat befand sich bereits seit 1994 weitestgehend unangetastet im Zoologischen Museum der Universität von Michigan. Ursprünglich gesammelt wurde die Schlange von R.A. Nussbaum im äußersten Süden Madagaskars, unweit von Tolagnaro. Über den Speiseplan der Blattnasennatter ist wenig bekannt, man weiß lediglich von anekdotischen Fallberichten. Nun reihen sich auch Chamäleons in die Reihe potenzieller Beutetiere ein: Im Magen der untersuchten weiblichen Blattnasennatter fand sich ein adultes Furcifer verrucosus.

Natural history notes: Langaha madagascariensis (Malagasy leaf-nosed snake)
Andressa L. Viol, Hayley L. Crowell, Justin L. Lee, Tristan D. Schramer
Herpetological Review 55 (2), 2025: 223-226.
DOI: nicht verfügbar

Foto: Furcifer verrucosus, fotografiert von Nick Newberry, CC BY 4.0

Die neue CHAMAELEO ist draußen!

Die neue CHAMAELEO ist draußen!

AG Interna Beobachtungen CHAMAELEO Haltungsberichte Wissenschaft

Was lange währt, wird endlich gut: Soeben haben wir die aktuellen Hefte der CHAMAELEO 49 bekommen. Sie werden nun schnellstmöglich in die Post gehen und sind dann auf dem Weg zu allen AG-Mitgliedern. Die aktuellen Inhalte finden sich hier. Und wer noch nicht Mitglied der AG Chamäleons ist, möchte das vielleicht schnell noch werden! Wie gefällt euch die aktuelle Ausgabe? Gibt es Anmerkungen, Wünsche, Kritik? Zu dick, zu dünn, zu viel Englisch, zu wenig? ;) Wir freuen uns auf eure Rückmeldungen!

Einfluss von Landwirtschaft auf Chamäleons in Madagaskar

Einfluss von Landwirtschaft auf Chamäleons in Madagaskar

Wissenschaft

In Madagaskars östlichem Hochland wird Ackerland für Reisfelder hauptsächlich durch Brandrodung von Primärwäldern oder Sekundärvegetation gewonnen. Die Reisfelder werden nur eine Saison verwendet, im anschließenden Jahr wird das Feld für Wurzelgemüse genutzt. Bereits nach einer Ernte liegt das Land dann bis zu fünf Jahre brach, bevor es erneut brandgerodet wird, um wieder Reis anzubauen. Schon fünf dieser Zyklen können fruchtbares Land in nicht mehr nutzbaren Boden wandeln. In den letzten Jahrzehnten sind brachliegende Flächen in immer kürzeren Abständen gerodet worden. Diese Praxis hat dafür gesorgt, dass invasive, nicht-einheimische Pflanzenarten sich ausbreiten konnten, während auf Primärwald angewiesene madagassische Pflanzen verschwanden. Madagassische Wissenschaftler haben nun erforscht, welchen Einfluss diese Form der Landwirtschaft auf Chamäleons an der Ostküste Madagaskars hat.

Als Studienobjekt wurde der Regenwaldkorridor von Ankeniheny-Zahamena im östlichen Hochland genutzt. Er verläuft an der Ostküste Madagaskars über eine Fläche von rund 5000 km², die teils nur durch sehr schmale Waldfragmente miteinander verbunden sind. Insgesamt während der Regenzeit 44 Orte wurden untersucht, die in fünf Habitattypen eingeteilt wurden: Zehn Orte mit geschlossenen Regenwäldern, acht mit Baumbrachen, elf mit Strauchbrachen, zehn Orte nach mindestens fünf Brandrodungszyklen und fünf Orte, an denen Wiederaufforstung betrieben wurde. Chamäleons wurden mehrheitlich nachts entlang vorgegebener Transekte (je drei bis vier parallele Linien von 50 m Länge) gesucht, bestimmt und vermessen.

Insgesamt konnten 15 Chamäleonarten der Gattungen Brookesia, Furcifer und Calumma gefunden werden, wobei je drei Arten nicht exakt bestimmt werden konnten (es handelt sich hier, soweit erkennbar, um Tiere aus dem Calumma nasutum/emelinae-Komplex). Die meisten Chamäleons bevorzugten geschlossenen Regenwald, wohingegen nach Brandrodung deutlich weniger Tiere und Arten zu finden waren. In Waldstücken mit Aufforstungsbemühungen war die Zahl der Chamäleons wieder deutlich höher. Beides unterstreicht sowohl den notwendigen Schutz noch vorhander Regenwälder als auch die Relevanz der Wiederaufforstung auf Madagaskar.

Sechs Arten (darunter Calumma cf. vencesi, Brookesia superciliaris, Brookesia therezieni, Calumma parsonii) zeigten sich deutlich sensibler gegenüber Landwirtschaft und können wahrscheinlich nur sehr eingeschränkt außerhalb von Primärwald überleben. Nur drei Arten kamen überhaupt noch auf intensiv landwirtschaftlich genutzter Fläche vor, davon war lediglich Furcifer lateralis am häufigsten dort zu finden.

Effects of shwidden agriculture on chameleon diversity and abundance in eastern tropical rainforest in Madagascar
Rodlis Raphali Andriantsimanarilafy, Joseph Christian Randrianantoandro, Josué Rakotoarioa, Alain Jean Victorien Rakotondrina, Ruth Kelly, Alison Cameron
Sustainability and biodiversity conservation 3(2): 99-118.
DOI: 10.5281/zenodo.13861065

 

Foto: Teppichchamäleon am Rande eines Reisfeldes in Madagaskar, fotografiert von Alex Negro

Gemeinschaftliche Eiablage bei Furcifer minor

Gemeinschaftliche Eiablage bei Furcifer minor

Wissenschaft

Bei den Chamäleons gibt es bisher nur wenige Berichte von Weibchen, die an sehr nahe beieinandere liegenden Ablageplätzen Eier legen. Von Archaius tigris ist sogar eine Art gemeinschaftliche Eiablage bekannt. Eine solche Beobachtung gibt es nun auch aus Madagaskar, genauer dem Itremo-Massif im südlichen Hochland der Insel.

Dabei wurden im Januar diesen Jahres ein weibliches Furcifer minor im Wald von Antsirankambiaty bei der Eiablage beobachtet. Kurz nachdem das erste Weibchen seine Eiablage beendet hatte, schickte sich ein zweites Weibchen nur 30 cm entfernt an, ebenfalls Eier abzulegen (ein Video davon gibt es hier). Zwei Tage später legte ein drittes Furcifer minor Weibchen zwischen den beiden schon vorhandenen Nestern ihre Eier ab.

Alle drei Nester wurden in den Sand eines Flussufers etwa 2-3 Meter vom Wasser entfernt gegraben. Die Stelle war mit über 5 Sonnenstunden täglich ein eher sonniger Platz, daher also besser geeignet zur Eiablage als der Boden im angrenzenden Waldfragment. Es wäre allerdings auch möglich, dass die anhaltende Abholzung und damit der sich verringernde Lebensraum für Furcifer minor dazu führt, dass Weibchen sich außerhalb ihres eigentlichen Lebensraumes Eiablagestellen suchen. Unklar ist, ob es sich bei dem dritten Weibchen um eines der ersten beiden handelt, das zurückkehrte – eine Differenzierung war leider nicht möglich.

Communal egg-laying in the Lesser Chameleon, Furcifer minor (Günther, 1879), at Itremo Massif Amoron’i Mania Region, Madagascar
Devin Edmonds
Herpetology Notes 17, 2024: 579-581
DOI: nicht vorhanden

Foto: Eines der Furcifer minor bei der Eiablage, fotografiert von Devin Edmonds