Was beeinflusst die Wiederentdeckung verschollener Arten?

Was beeinflusst die Wiederentdeckung verschollener Arten?

Wissenschaft

Immer wieder gibt es in der Geschichte Arten, die einmal beschrieben und dann nie wieder gesehen wurden. Auch unter den Chamäleons gibt es solche Fälle. Erst vor wenigen Jahren wurde das fast 100 Jahre lang verschollen geglaubte Chamäleon Furcifer voeltzkowi im Westen Madagaskars wiederentdeckt. Eine aktuelle Veröffentlichung einer Vielzahl internationaler Autoren beschäftigt sich nun mit der Frage, welche Faktoren die Wiederentdeckung beeinflussen.

2023 gab die IUCN eine Liste mit über 2000 Wirbeltier-Arten heraus, die länger als zehn Jahre nicht mehr gesehen worden waren. Auch Re:wild gab eine Liste von 1008 verschollenen Arten heraus. Auf Basis dieser Listen und weiterer Literatur suchten die Wissenschaftler Arten, die über zehn Jahre nicht mehr in der Wildnis gesehen worden waren. Außerdem durfte es keine ex situ Population geben (Pflege in Menschenhand außerhalb des ursprünglichen Vorkommens). Heraus kam eine Liste mit 1280 Wirbeltier-Arten, die dann noch einmal mit Spezialisten der jeweiligen Fachgebiete bereinigt wurden. So wurden beispielsweise Arten ausgeschlossen, die inzwischen als sicher ausgestorben gelten. Es blieben 856 verschollene Arten, davon waren 42% Reptilien. Die gesammelten Daten wurden an Hand verschiedener Faktoren statistisch ausgewertet.

Bei den Wiederentdeckungen waren weniger Reptilien vertreten als Säugetiere. Weniger Reptilienarten wurden wiederentdeckt als es durch Zufall statistisch wahrscheinlich gewesen wäre. Reptilien sterben außerdem signifikant schneller aus als Arten wiederentdeckt werden. Insgesamt ist die Wiederentdeckungsrate für Reptilien aber am Steigen. Die meisten Wiederentdeckungen fanden in den Tropen statt. Brasilien und Ecuador führen dabei die Länder mit den meisten Entdeckungen bei Weitem an, dicht gefolgt von Australien, Indien und Madagaskar. Erstaunlicherweise resultierte eine höhere Bedrohung an Lebensraumverlust zu einer höheren Wiederentdeckungsrate bei Reptilien.

Insgesamt kommen bei verschollenen Arten mehrere Gründe in Frage, weshalb eine Wiederentdeckung bisher nicht gelingen konnte. Zum einen ist bei etlichen Arten ein Mangel an Daten vorhanden – als Beispiel wird hier Brookesia lambertoni genannt, das seit 1921 auf Madagaskar nicht mehr gesehen wurde. In der Originalbeschreibung wird dessen Fundgebiet als „Fito“ angegeben wird. Fito ist Madagassisch für die Zahl Sieben. Leider ist bis heute jedoch nicht bekannt, was mit diesem Namen gemeint ist. Es gibt viele Dörfer mit dem Namen, genauso könnte aber eine Region, ein Fluss oder ein Wald gemeint gewesen sein. Genauso ist möglich, dass die Ursprungsbeschreibung der Herkunft auf ein sprachliches Missverständis zurückgeht und „Fito“ als Ort gar nicht existiert.

Des Weiteren bedeutet ein Mangel an Forschungskapazität, vor allem in Entwicklungsländern, auch eine geringere Suchintensität nach verlorenen Arten. Dazu kommt, dass gerade bei den Reptilien viele Arten eher unscheinbar und klein sind. Sie können dadurch schlechter beworben werben und wecken bei potenziellen Sponsoren kaum oder gar keine Aufmerksamkeit. Zusätzlich kann auch der Lebensraum mit an einer Nicht-Wiederentdeckung beteiligt sein. Dies ist beispielsweise bei sehr weit abgelegenen Lebensräumen oder schwierig zu begehenden Landschaften wie Sümpfen der Fall.

What factors influence the rediscovery of lost tetrapod species?
Tim Lindken, Christopher V. Anderson, Daniel Ariano-Sánchez, Goni Barki, Christina Biggs, Philip Bowles, Ramamoorthi Chaitanya, Drew T. Cronin, Sonja C. Jähnig, Jonathan M. Jeschke, Rosalind J. Kennerley, Thomas E. Lacher Jr., Jennifer A. Luedtke, Chunlong Liu, Barney Long, David Mallon, Gabriel M. Martin, Shai Meiri, Stesha A.. Pasachnik, Victor Hugo Reynoso, Craig B. Stanford, P. J. Stephenson, Krystal A. Tolley, Omar Torres-Carvajal, David L. Waldien, John C.Z. Woinarksi, Thomas Evans
Global Change Biology 30, 2024, pp. 1-18.
DOI:  10.1111/gcb.17107

Foto: Furcifer voeltzkowi in Mahajanga, fotografiert von Alex Laube