Neue Daten zum internationalem Handel mit Chamäleons

Neue Daten zum internationalem Handel mit Chamäleons

Wissenschaft

Mitarbeiter mehrerer Universitäten haben sich kürzlich mit dem internationalen Handel von Chamäleons beschäftigt. Der Fokus lag dabei auf Tansania im Osten Afrikas. In Tansania kommen derzeit 41 der 228 bekannten Arten vor, das Land verfügt also über die zweithöchste Artenzahl an Chamäleons nach Madagaskar.

Als Grundlage der Studie wurde die öffentlich einsehbare CITES Handels-Datenbank und die ebenso einsehbaren Jahresberichte der am Washingtoner Artenschutzabkommen teilnehmenden Ländern genutzt. Chamäleons, die zu wissenschaftlichen Zwecken oder anderen als kommerziellen Zwecken exportiert wurden, wurden ausgeschlossen. Zusätzlich wurden im Internet über Google und „[Artname] for sale“ die am meisten geklickten Websites in Form englischsprachiger Verkaufs-Plattformen sowie Social Media und Foren nach Verkaufs- und Ankaufsanzeigen für Chamäleons durchsucht. Dabei wurden insgesamt 14 Websites von kommerziellen Verkäufern, zwei Online-Foren, zwei Anzeigen-Website, vier Social Media-Seiten sowie 7 geschlossene Gruppen in Social Media ausgewertet. Als drittes Standbein der Studie wurden  Dorfbewohner in den Eastern Arc Mountains in Tansania an Hand eines Fragebogens mit elf Fragen interviewt.

Generelles Ergebnis der Studie ist, dass der internationale Handel mit Chamäleons von 2000 bis 2019 rapide gesunken ist. Zeitgleich stieg die Anzahl in Menschenhand nachgezüchteter Chamäleons an. Die Zahl „geranchter“, also auf einer Farm im Herkunftsland für den Export gezüchteter Chamäleons, sank dezent. Der größte Exportfaktor war der kommerzielle Handel, wobei fast alle Arten direkt aus ihren Herkunftsländern und nicht über weitere Zwischenhändler in anderen Ländern exportiert wurden. Von 2000 bis 2019 wurden insgesamt 327.522 Chamäleons legal gehandelt. Nur sechs Länder machten dabei 91% der Exporte aus: Tansania, Madagaskar, Mosambik, Uganda, Ghana und Kamerun. Tansania war das Land, aus dem mit 34% aller Exporte die meisten Chamäleons gehandelt wurden. Das Land, in das die meisten Chamäleonexporte gingen, waren die USA mit 46%. Die USA bekamen damit von 2000 bis 2019 fast die Hälfte aller Chamäleons weltweit, die unter CITES gehandelt wurden. Weitere Länder mit relativ hohen Zahlen an Chamäleon-Importen waren Japan (13%) und Deutschland (10%).

Aus Tansania waren sechs Chamäleon-Arten besonders begehrt. Sie machten gemeinsam 85% des Handels mit Chamäleons im genannten Zeitraum aus. Am häufigsten wurden Kinyongia fischeri und Kinyongia tavetana exportiert, gefolgt von Trioceros werneri, Trioceros deremensis and Trioceros fuelleborni. Von den 42 in Tansania vorkommenden Arten konnten 35 auf Online-Plattformen im Verkauf wiedergefunden werden, 29 standen regelmäßig auf Verkaufslisten.

Die Befragungen vor Ort in Tansania ergaben, das nur zwei von drei beobachteten Bergmassiven am Handel mit Chamäleons teilgenommen hatte (Ost-Usambara und Uluguru). Da Tansania seine Exporte seit 2016 auf unbestimmte Zeit ausgesetzt hat, gaben die Befragten mehrheitlich an, es gäbe derzeit keinen Handel mit Chamäleons mehr. Interessant ist, dass die Dorfbewohner angaben, 13 Arten zum Handel gesammelt zu haben, davon jedoch 7 Arten nie auf den offiziellen Exporten für Tansania auftauchten. Auch die Antworten auf die Frage, wieviele Chamäleons welcher Art gehandelt wurden, unterschieden sich in der Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung deutlich von den offiziellen Zahlen: Während die Einwohner „Tausende“ Chamäleons mit einem Horn als angeblich jährlich gesammelt angaben, wurden davon lediglich sehr vereinzelte tatsächlich exportiert. Hier gibt es möglicherweise auch eine starke Divergenz durch mangelnde Artdifferenzierung.

Handelswege in Tansania konnten durch die Interviews recht gut nachvollzogen werden. Generell war es bisher wohl so, dass Händler aus Muheza und Morogoro in die Usambaa- und Uluguru-Berge kamen und den Dorfbewohnern eine Wunschanzahl bestimmter Arten (selektiert nach „ein Horn, zwei Hörner, drei Hörner oder Giant“) weitergaben. Dazu wurde jewiels ein Zeitlimit angegeben, nach dessen Ablauf die Händler zurückkehrten und die gesammelten Chamäleons nach Dar es Salaam transportierten. Ein Händler konnte intensiver befragt werden und gab an, dass bereits sein Vater mit Chamäleons gehandelt hatte. Er hatte außerdem nie eine Sammel-Erlaubnis gesehen, auch wenn seine Auftraggeber stets betonten, sie hätten solche. Es bestand seitens der Zwischenhändler und Sammler kein Interesse daran, für was die gesammelten Chamäleons genutzt werden sollten, lediglich was dafür bezahlt wurde. Selbst ein Zwischenhändler bekam lediglich 0,4 US-Dollar pro Chamäleon.

Status and trends in the international wildlife trade in Chameleons with a focus on Tanzania
Maxim Conrad Isaac, Neil D. Burgess, Oliver J.S. Tallowin, Alyson T. Pavitt, Reuben M. J. Kadigi, Claire Ract
PLoS ONE 19(5), 2024.
DOI: 10.1371

Foto: Kinygonia tavetana, fotografiert von Elizabeth Dougherty, Creative Commons Attribution 4.0 International

Vortrag in Möchengladbach über Südafrika

Vortrag in Möchengladbach über Südafrika

Reiseberichte Vorträge

Am Freitag, 03. November 2023, hält Reinhard Münzer einen Vortrag über eine nicht nur herpetologische Reise nach Südafrika. Das Land bietet mit der 3,4 fachen Größe Deutschlands und vielfältigen Natur beste Voraussetzungen für spannende und vielfältige Entdeckungen. Der Vortrag wird dabei nicht nur Reptilien zeigen, sondern natürlich auch die Big Five.

Reinhard Münzer Reiseeindrücke Südafrika
DGHT Regionalgruppe Mönchengladbach/Krefeld
Vereinsheim SC 08 Schiefbahn
Siedlerallee 27
47877 Willich-Schiefbahn
Treffen ab 19.30 Uhr, Vortragsbeginn um 20.00 Uhr

Foto: Reinhard Münzer

Vortrag in Neu-Ulm über die Türkei

Vortrag in Neu-Ulm über die Türkei

Reiseberichte Vorträge

Am Samstag, 16. September 2023, halten Laura und Bobby Bok einen Vortrag über herpetologische Reisen in die Türkei. Die Herpetofauna Anatoliens ist erstaunlich vielfaltig – nicht zu Unrecht wird es auch „Kleinasien“ genannt. Hier treffen sich Reptilien aus dem Balkan, dem Kaukasus, Mittelasiens und den Wüsten Arabiens. Von Schildkröten bis zum kleinsten Gecko – aus Anatolien kann man viel erzählen!

Laura und Bobby Bok Türkiye vom Trabzon bis zum Taurus
DGHT Stadtgruppe Ulm
Il Mio Ristorante
Europastraße 15 (Am Mutenhölzle)
89231 Neu-Ulm
Vortragsbeginn 18.30 Uhr

Vortrag in Kassel über Marokko

Vortrag in Kassel über Marokko

Reiseberichte Vorträge

Am Samstag, 16. September 2023, hält Uwe Prokoph einen Vortrag über eine herpetologische Reise in die Westsahara und den Süden Marokkos. Obwohl die Landschaft dort auf den ersten Blick eher lebensfeindlich scheint, gibt es doch viel zu entdecken, gerade an Reptilien!

Uwe Prokoph Wüstenwunderwelten
DGHT Stadtgruppe Kassel
Haus Schönewald
Wilhelmstraße 17
34233 Fuldatal
ab 18.00 Uhr

Vortrag in Münster über Kamerun

Vortrag in Münster über Kamerun

Reiseberichte Vorträge

Am Freitag, 19. Mai 2023, halt der renommierte Herpetologe Prof. Dr. Wolfgang Böhme einen Vortrag über herpetologische Expeditionen in Westafrika. In mehreren Forschungsreisen untersuchte er die Großlebensräume Wüste, Savanne und Regenwald und ihre jeweiligen Randgebiete im Hinblick auf ihre Amphibien und Reptilien, deren heutige Verbreitung den Einfluss der großen postglazialen Klimaschwankungen widerspiegelt. Die Wiederentdeckung des seit Jahrzehnten für ausgestorben gehaltenen Wüstenkrokodils in der mauretanischen Sahara ist nur eines von vielen Highlights. In Guinea erwies sich der Lama Forest als Schlangen-Hotspot: In nur zwei Wochen konnten die Reisenden 38 Arten sympatrisch vorfinden. Im Kameruner Bergland, wo man noch mehrfach auf Relikte deutscher Kolonialgeschichte stößt, erwies sich der bis dahin unbekannte herpetologische Mount Nlonako als damals artenreichster Amphibien-Standort Afrikas. Die vertikale Zonierung, verbunden mit zahlreichen Wasserläufen, hat zu einer großen Artenvielfalt der Froschfauna geführt, die erstmals inventarisiert wurde. Mit über 90 Arten, darunter die charismatischen Haar- und Goliathfrösche, gehört der Mount Nlonako zu den reichsten Amphibien-Hotspots der afrotropischen Region. Die verschiedenen, wunderschönen Montanchamäleons in Kamerun erwiesen sich außerdem als hervorragende Modellgruppe, um den Prozess der Artbildung beispielhaft darzustellen.

Prof. Dr. Wolfgang Böhme Auf dem Landweg von Deutschland nach Kamerun
DGHT Stadtgruppe Münster
Zooschule des Allwetterzoos
Sentruper Str. 315
48161 Münster
Einlass ab 18.30 Uhr, Vortragsbeginn 19.00 Uhr

Faktoren der geografischen Ausbreitung von Chamäleons

Faktoren der geografischen Ausbreitung von Chamäleons

Wissenschaft

Schon lange wird versucht zu ergründen, wie und warum Chamäleons sich über den afrikanischen Kontinent, auf Inseln und bis nach Europa und Asien ausgebreitet haben. Französische Wissenschaftler haben jetzt in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen mittels Phylogenetik und verschiedenen Berechnungsmodellen untersucht, wie sich die Faktoren Körpergröße, küstennaher Lebensraum und extreme Lebensweisen auf die Verbreitung verschiedener Chamäleonarten ausgewirkt haben könnte. Die Studie untersuchte 181 Arten, die sich auf neun biogeografische Hauptregionen aufteilen: Nordafrika und Arabien, Zentralafrika, Südostafrika, Südwestafrika, Indien, Sokotra, Madagaskar, die Komoren und die Seychellen.

Chamäleonarten, die mehr als 10 km vom Meer entfernt vorkamen, verbreiteten sich historisch deutlich weniger als die 74 küstennah lebende Chamäleonarten. Ein ähnliches Phänomen ist von Skinken und Krokodilen bekannt. Die Verbreitung fand wahrscheinlich vor allem entlang der Küsten statt, zumeist auf dem gleichen Kontinent und nur selten über das Wasser zu anderen Kontinenten oder Inseln hin.

Die Größe der verschiedenen Chamäleons scheint ihre Ausbreitung in der Geschichte ebenfalls beeinflusst zu haben: Große Chamäleons verbreiteten sich weiter und häufiger als kleine Chamäleons. Das könnte damit zusammenhängen, dass größere Chamäleons eine geringere Stoffwechselrate haben – damit benötigen sie im Verhältnis zu kleineren Konkurrenten insgesamt weniger Energie. Außerdem legen größere Chamäleons Gelege mit deutlich mehr Eiern, wodurch sie ganz einfach zahlenmäßig im Vorteil sind.

Ein etwas unerwartetes Ergebnis erbrachte die Untersuchung verschiedener Lebenszyklen. Man würde zunächst annehmen, dass kurze Lebenszyklen mit schnellerer Verbreitung einhergehen. Tatsächlich zeigten die Berechnungen, dass vor allem Chamäleonarten mit extremen Lebenszyklen sich weiter verbreiteten. Wer also besonders langsam oder besonders schnell reproduzierte, war historisch unter Chamäleons erfolgreicher als die Arten „im Mittelfeld“. Die Autoren überlegen diesbezüglich, ob besonders langsame Lebenszyklen mit später Geschlechtsreife und langer Trächtigkeit möglicherweise auf dem gleichen Kontinent erfolgreicher sind, während schnellere Vermehrungsstrategien mit großen Gelegen günstiger für die Verbreitung übers Meer auf Inseln und andere Kontinente sind. Dazu passt, dass Furcifer polleni und Furcifer cephalolepis auf den Komoren und Chamaeleo zeylanicus in Indien, alles drei Beispiele für eine Ausbreitung übers Wasser, einen sehr schnellen Lebenszyklus aufweisen.

Die 34 Chamäleonarten mit der Kombination küstennah lebend, groß und extremen Lebenszyklus hatten zu 98% eine höhere Verbreitungsrate als Arten ohne diese Merkmale.  Insgesamt handelt es sich sicherlich um eine sehr theoretische Studie, die aber dennoch spannende Aufschlüsse über die historische Ver- und Ausbreitung von Chamäleons aufzeigt.

Chameleon biogeographic dispersal is associated with extreme life history strategies
Sarah-Sophie Weil, Laurie Gallien, Sébastien Lavergne, Luca Börger, Gabriel W. Hassler, Michaël P.J. Nicolaï & William L. Allen
Ecography
DOI: 10.1111/ecog.06323