Ultraschall des Urogenitaltrakts bei Chamäleons

Ultraschall des Urogenitaltrakts bei Chamäleons

Tiermedizin Wissenschaft

In den letzten Jahren gab es erste Studien zur Bildgebung in der Diagnose von Erkrankungen speziell bei Chamäleons. Eine weitere Untersuchung von Tierärzten der Universität Leipzig legt nun weitere Vergleichsdaten zum Urogenitaltrakt von Chamäleons vor.

Sie untersuchten Nieren, Blase und Geschlechtsorgane von 42 Echsen, die von privaten Haltern an der Uniklinik vorgestellt wurden, mittels Ultraschall. Unter den Patienten waren sieben Chamaeleo calyptratus, fünf Furcifer pardalis. Von diesen 12 Chamäleons waren sechs männlich und sechs weiblich. Alle Organe wurden vermessen, beschrieben und Beispielbilder gespeichert.

Leider konnten bei keinem der weiblichen Chamäleons die Geschlechtsorgane für die Studie beurteilt werden, da sie entweder krankhaft verändert oder mittels vorangehender Operation bereits entfernt worden waren. Als Ankopplungsort für den Ultraschall der Nieren stellte sich bei den Chamäleons eine seitliche Ankopplung etwa einen Zentimeter vor der Hüfte als günstig heraus. Der postpelvine Anteil der Nieren war stets kleiner als der präpelvine. Die Nieren wiesen bei allen männlichen Chamäleons heterogene Flecken auf, während die Nieren der Weibchen stets homogen waren. Diese Streifung ist vermutlich auf Sexualsegmente in den Nieren bei Männchen zurückzuführen. Das Nierengewebe war isoechogen zu Muskelgewebe und hypoechogener als Fettgewebe. Die Hoden der männlichen Chamäleons lagen jeweils im hinteren Drittel der Coelomhöhle direkt unter der Wirbelsäule und vor den Nieren. Der rechte Hoden lag jeweils etwas weiter vorne als der linke. Die Kapsel war bei allen Männchen hyperechogen, während die Hodenstruktur stets homogen war. Durchschnittliche Maße der Nieren und Hoden der Jemen- und Pantherchamäleons werden in der Studie ebenfalls angegeben.

Die Daten entsprechen größtenteils den bereits von Aßmann 2015 zusammengetragenen Daten zum Ultraschall des Urogenitaltrakts von Chamäleons. Lediglich die Nierenlänge unterschied sich deutlich (länger) von vorhergehenden Untersuchungen.

Comparative sonographic studies of the urogenital tract of lizards
Nils B. Klützow, Volker Schmidt
Veterinary Radiology & Ultrasound 2025, 66:e70075
DOI: 10.1111/vru.70075
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Gencodierung bei Chamäleonzähnen

Gencodierung bei Chamäleonzähnen

Wissenschaft

Chamäleons verfügen über akrodonte, das heißt dem Knochen direkt aufsitzende, Zähne. Säuger dagegen haben sogenannte Alveolen, in denen die Zähne sitzen. Wissenschaftler aus Michigan (USA) haben nun die genetische evolutionäre Entwicklung der Zahnstrukturen im Vergleich von Säugetieren zu akrodonten Reptilien untersucht.

Dazu verglichen sie die Genome von 24 akrodonten Reptilien und 12 Säugetierarten. Unter den akrodonten Reptilien befanden sich unter anderem die Chamäleonarten Furcifer pardalis, Trioceros harennae und Chamaeleo calyptratus sowie nicht auf Artebene bestimmte Chamäleons der Gattungen Chamaeleo, Bradypodion und Trioceros.  Die Gene für Aminosäuren, aus denen bestimmte Eiweiße des Zahnschmelzes gebaut werden, wurden mittels verschiedener Berechnungen und Analysen verglichen.

Dabei kam heraus, dass der Verlust des Zahnwechsels bei akrodonten Reptilien tatsächlich zu Veränderungen in den Genen für die Zahnschmelzbildung führte.

Reduction of tooth replacement disproportionately affects the evolution of enamel matrix proteins

John Abramyan, Gengxin Li, Hannah Khansa
Journal of Molecular Evolution 93, 2025: 494-510.
DOI: 10.1007/s00239-025-10258-4
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Foto: Präparat eines Pantherchamäleon-Schädels mit akrodonten Zähnen, fotografiert von Alex Negro

…und sie passen sich doch ihrem Hintergrund an!

…und sie passen sich doch ihrem Hintergrund an!

Wissenschaft

Die Überschrift passt nicht ganz, aber fast. Wissenschaftler aus Großbritannien haben kürzlich nachweisen können, dass Lappenchamäleons ihre Färbung zu einem gewissen Grad tatsächlich dem Hintergrund anpassen.

Dazu wurden acht subadulte Chamaeleo dilepis, die zuvor aus Tansania importiert worden waren, mehreren Experimenten unterzogen. Die Chamäleons wurden dabei in einem kleinen Terrarium auf horizontalen Stangen sitzend unterschiedlichen Hintergründen ausgesetzt: Im ersten Experiment waren die Hintergründe gelb, gelbgrün, orange und blaugrün, im zweiten Experiment waren die Hintergründe schwarz und weiß. Und im dritten Experiment waren die Hintergründe mit einem gelben, gelbgrünen, schwarzen oder weißen Muster in unterschiedlicher Skalierung versehen (das Muster stammte ursprünglich aus Fotos von Brombeerbüschen aus dem Lebensraum der Chamäleons). Als „neutraler Raum“ vor den Experimenten wurde ein Terrarium mit grauem Hintergrund genutzt. Die Tiere wurden bei den Experimenten jeweils 21 Minuten lang immer wieder fotografiert.

Auf dem gelben Hintergrund zeigten die Chamäleons ohne Beutegreifer-Attrappe am schnellsten einen Farbwechsel. Zwischen gelb und orange zeigte sich in der Geschwindigkeit des Farbwechsels kein Unterschied, genauso wenig zwischen gelbgrün und blaugrünem Hintergrund. Je länger die Chamäleons vor dem orangefarbenen Hintergrund saßen, desto mehr passten sie sich diesem an.

Saßen die Chamäleons auf schwarzen Hintergründen, wurde ihre Färbung ebenfalls deutlich dunkler als auf grauen oder weißen Hintergründen. Bei den Experimenten mit unterschiedlich gemusterten Hintergründen stellten die Wissenschaftler fest, dass die Chamäleons ihr eigenes Farbmuster auf grünen oder gelben Hintergründen reduzierten, auf weißen oder schwarzen Mustern jedoch kaum – das spricht dafür, dass die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum vor allem in grünem/gelben Gras besser geschützt sind als auf schwarzem oder weißem Untergrund.

Die exakte Farbe des Hintergrunds annehmen wie ein Oktopus konnten die Lappenchamäleons freilich nicht – dieser Mythos bleibt nach wie vor genau das – nur ein Mythos. Jedoch wäre es sicherlich interessant, ob und wann Chamäleons ihre Färbung eher aus Gründen der Kommunikation, der Tarnung oder der Thermoregulation ändern. Es bleibt also viel Raum für weitere Forschung.

Flap-necked chameleons change colour to match their background
Tom major, Alexia C.M. Hesten, Jan Stipala, Michael A. Cant, Martin Stevens, Jolyon Triscianko
Biology Letters 21, 2025: 20250134
DOI: 10.1098/rsbl.2025.0134

Vergleiche zwischen Zwergchamäleons in Südafrika

Vergleiche zwischen Zwergchamäleons in Südafrika

Wissenschaft

Südafrikanische Wissenschaftler haben sich kürzlich damit beschäftigt, ob drei sehr nah verwandte Bradypodion Linien in der Provinz Ostkap, Südafrika, auf Grund ihrer unterschiedlichen Lebensräume unterschiedlich entwickelt haben oder andere Ursachen dafür verantwortlich sind.

Die Wissenschaftler beschäftigen sich mit den beiden Arten Bradypodion ventrale aus der Nama-Karoo und Bradypodion taeniabronchium aus den Elandsberg und Tsitsikamma Mountains und dem Fynbos von Thyspunt und Honeyville sowie einer bisher nicht als eigenen Art beschriebenen Population von Zwergchamäleons aus dem Fynbos der Groot Winterhoek Mountains. Letztere werden, da sie unter anderem im Groendal Nature Reserve vorkommen, häufig als Bradypodion sp. „groendal“ bezeichnet.

Nachts wurden mittels Taschenlampe und bloßen Augen Chamäleons gesucht. Adulte Chamäleons mit einer Körperlänge (SVL) von über 36 mm wurden über Nacht mitgenommen, um am nächsten Tag wieder an der Fundstelle ausgesetzt zu werden. Alle Tiere wurden genau vermessen. Gewebeproben von der Schwanzspitze wurden entnommen. Zusätzlich wurde die Astdicke und -höhe der Äste gemessen, auf denen die Chamäleons gefunden wurden. Weitere Astdicken wurden entlang je drei 100 m langer Transekte in jeder Population aufgezeichnet. Die erhobenen Daten wurden statistisch ausgewertet, die Gewebeproben genetisch untersucht.

Insgesamt konnten 232 Chamäleon für die Studie beprobt werden. Bradypodion taeniabronchium zeigte deutlich kleinere Kopfmerkmale als die beiden anderen Arten, dafür aber größere Hände und Füße. Bradypodion ventrale war insgesamt größer als die anderen, hatte aber längere Extremitäten. Bradypodion taeniabronchium nutzte die breitesten Äste (durchschnittlich 2,83 mm im Durchmesser), aber auch die niedrigsten (durchschnittlich 82 cm über dem Boden). Bradypodion ventrale dagegen nutze die dünnsten Äste (durchschnittlich 1,52 mm im Durchmesser), dafür aber die höchsten (durchschnittlich knapp 93 cm über dem Boden).

Die Forscher stellten fest, dass es bei allen drei Populationen von Zwergchamäleons eine erhöhte äußere Ähnlichkeit (Konvergenz) gab, wenn sie in gleichen Lebensräumen vorkamen und sich Chamäleons weniger ähnlich sahen (Divergenz), wenn sie in unterschiedlichen Lebensräumen vorkamen. Die Zwergchamäleons nutzten dabei nach Populationen getrennt bestimmte Astdicken bevorzugt, obwohl in ihrem Lebensraum auch andere Äste vorhanden gewesen wären. Die Autoren weisen zuletzt auch darauf hin, dass alle bisher vorhandenen Indizien dafür sprechen, dass die noch nicht beschriebenen Zwergchamäleons des Groendal Nature Reserves eine eigene Art darstellen.

Ecological factors promote convergent evolution and ecological speciation in dwarf chameleons (Bradypodion)
Krystal A. Tolley, Devon C. Main, Keith M. Dube, Bettine Jansen van Vuuren, Jessica M. da Silva
Zoosystematics and Evolution 101(3) 2025: 1227-1247
DOI: 10.3897/zse.101.151926

Foto: Bradypodion ventrale, aus der genannten Publikation

Nutzen von UV-Fluoreszenz bei Zwergchamäleons

Nutzen von UV-Fluoreszenz bei Zwergchamäleons

Wissenschaft

Chamäleons verfügen vor allem am Kopf über fensterartige, durchscheinende Schuppen über bestimmten Knochenfortsätzen. Bescheint man den Knochen an diesen Stellen mit UV-Licht, leuchten die Bereiche auf. Man geht bisher davon aus, dass diese UV-Fluoreszenz bzw. die fluoreszierenden Tuberkel zur innerartlichen Kommunikation verwendet werden. Südafrikanische Wissenschaftler haben dies nun an Zwergchamäleons weiter untersucht.

Fünf Bradypodion-Arten in verschiedenen Lebensräumen (Fynbos, Wald, Buschland) wurden dafür untersucht.

Wenn die fluoreszierenden Tuberkel der Kommunikation zwischen Männchen und Weibchen bei der Fortpflanzung dienen, müsste man annehmen, dass sich ihre Anzahl zwischen Männchen und Weibchen stark unterscheidet. Chamäleons, die in einem dichten Wald leben, müssten außerdem mehr davon aufweisen als Tiere in offenem und damit für Fressfeinde einfach einzusehendem Gelände.

Das Ergebnis der Studie ist ganz erstaunlich: Das jeweils größere Geschlecht der verschiedenen Zwergchamäleon-Arten wies die höhere Anzahl an fluoreszierenden Tuberkeln auf. Bradypodion gleicher Größe hatten dagegen immer in etwa die gleiche Zahl an fluoreszierenden Tuberkeln am Kopf. Die verschiedenen Lebensräume schienen keinen Einfluss auf die Zahl der fluoreszierenden Tuberkel zu haben. Auch zwischen sehr von Menschen beeinflussten Lebensräumen wie Gärten und naturnahen, unberührten Landschaften bestand kein Unterschied.

Die Autoren schließen daraus, dass die fluoreszierenden Knochentuberkel bei südafrikanischen Zwergchamäleons wohl eher nicht zur Kommunikation genutzt werden. Es bleibt nun spannend, ob dies auch bei anderen Chamäleonarten der Fall ist.

Body size, not habitat or sex, best explains the extent of ultraviolet fluorescence in African dwarf chameleons (Bradypodion)
Jody M. Barends, Wade K. Stanton-Jones, Graham J. Alexander, Krystal A. Tolley
Journal of Zoology
DOI: 10.1111/jzo.70032

Foto: stammt aus der oben genannten Publikation

Lappenchamäleons in Cabinda (Angola)

Lappenchamäleons in Cabinda (Angola)

Verbreitung Wissenschaft

Die Provinz Cabinda, ein zu Angola gehörendes, 7064 km² großes Gebiet zwischen der Demokratischen Republik Kongo und der Republik Kongo, gehört zu den herpetologisch am wenigsten erforschten Gebieten Afrikas. Die Enklave liegt rund 50 km nördlich des übrigen Staatsgebietes Angola direkt an der Küste des Atlantiks. Sowohl ihr Enklavenstatus als auch die schwere Zugänglichkeit der vorhandenen Waldgebiete haben bisher dazu beigetragen, dass nur wenig Informationen über die hiesige Herpetofauna existieren. Der Nationalpark Mayombe macht rund ein Drittel des Gebiets von Cabinda aus. Mayombe teilt sich in einen höher gelegen Parkanteil mit Regenwald zwischen 500 und 900 m sowie einen niedrigen gelegenen Teil zwischen den Flüssen Inhuca und Chiloango. Daran an schließt sich eine Küstenebene mit Tälern und trockenere Vegetation direkt an der Küste.

Während zehn Expeditionen zwischen 2018 und 2024 wurden tageweise mittels Reptilien und Amphibien gesucht. Insgesamt wurden dabei 17 verschiedene Orte abgedeckt, wovon 10 innerhalb des Mayombe Nationalpark lagen. Fotos von allen Tieren wurden gemacht und Proben entnommen, um genetische Identifikationen zu ermöglichen.

Chamaeleo dilepis, das in Angola weit verbreitet ist, wurde in Mbongo Zimune im Mayombe Nationalpark in Flussnähe in einer Plantage von eingeschlepptem Bambus entdeckt. Die Bambusplantagen liegen auf rund 324 m ü.N.N. Außerdem wurde die Art in Nganzi auf 107 m in den Tälern gefunden, wo man die Art laut anderer Literatur häufiger antrifft. In den trockeneren Küstengebieten, wo Chamaeleo dilepis ebenfalls oft vorkommen soll, konnte in der vorliegenden Studie kein Chamäleon nachgewiesen werden.

Insgesamt konnten 76 verschiedene Arten nachgewiesen werden, davon 48 Amphibien- und 28 Reptilienarten. 33 in früherer Literatur erwähnte Amphibien- und Reptilienarten konnten nicht wiedergefunden werden.

Filling the gaps: herpetological checklist of Mayombe National Park and Cabinda Province (Angola) shed light on one of the most unexplored corners of tropical Central Africa
Javier Lobón-Rovira, Ninda L. Baptista, Tyron Clark, Luke Verburgt, Gregory F.M. Jongsma, Werner Conradie, Luis Verissimo, Pedro Vaz Pinto
African Journal of Herpetology 74(1): 1-59
DOI: 10.1080/21564574.2024.2421007

Chamäleons in Andrafiamena-Andavakoera (Madagaskar)

Chamäleons in Andrafiamena-Andavakoera (Madagaskar)

Verbreitung Wissenschaft

Der Norden Madagaskars ist eine Schatztruhe der Artenvielfalt – das ist lange bekannt. Trotzdem sind auch noch im 21. Jahrhundert etliche Gebiete der Insel wenig erforscht. Eine Gruppe madagassischer und US-amerikanischer Biologen hat nun eine neue Übersichtsstudie vorgestellt, die sich mit einem solchen Gebiet befasst.

Das Schutzgebiet Andrafiamena-Andavakoera (Paysage Harmonieux Protége d’Andrafiamena-Andavakoera) liegt im Norden Madagaskars genau zwischen dem Nationalpark Ankarana und dem Schutzgebiet Analamerana. Es wird von der NGO Fanamby betreut und besteht unter anderem aus drei voneinander isolierten Trockenwäldern namens Binara, Antsahabe und Andrafiamena.

Während des Übergangs der der Trocken- zur Regenzeit wurden Beobachtungen tagsüber und nachts mit dem bloßen Auge entlang ausgewiesener Transekte unternommen und entlang dreier Transektlinien Eimerfallen in den Boden gegraben. Zusätzlich wurde unter möglichen Zufluchtsorten von Reptilien, beispielsweise unter Totholz, geschaut und Rufe von Fröschen aufgenommen.

Insgesamt konnten dadurch 13 Amphibien- und 39 Reptilienarten in den drei Wäldern nachgewiesen werden. Drei Arten von Chamäleons kamen häufig in allen drei Trockenwäldern vor: Brookesia stumpffi in der Laubschicht, Furcifer pardalis und Furcifer petteri auf Bäumen und Sträuchern. Erstaunlicherweise war ausgerechnet die häufigste Chamäleonart Madagaskars, Furcifer oustaleti, während des Studienzeitraums nur in Andrafiamena anzutreffen, in Binara und Antsahabe aber nicht. Brookesia stumpffi wurde stets auf dem Boden oder schlafend auf jungen Pflanzen unter 1 m Höhe gefunden. Furcifer petteri und Furcifer pardalis befanden sich eher im mittleren oder oberen Bereich der Bäume. Als mögliche Bedrohung des Schutzgebietes nennen die Autoren vor allem den Menschen und die damit verbundene Zerstörung von Lebensraum.

Herpetofaunal diversity in northern Madagascar: The Andrafiamena-Andavakoera protected area.
Fandresena Rakotoarimalala, Arianna Kuhn, Achille P. Raselimanana, Sara Ruane
Malagasy Nature 19, 2025: 160-174
DOI: nicht vorhanden

Foto: Männliches Furcifer petteri auf Madagaskar, fotografiert von Alex Negro

Chamäleons in St. Luce (Madagaskar)

Chamäleons in St. Luce (Madagaskar)

Verbreitung Wissenschaft

Das Schutzgebiet St. Luce liegt im Südosten Madagaskars, nur 34 km nördlich der Großstadt Tolagnaro (Fort Dauphin). Zum Schutzgebiet gehören Strände und Felsklippen an der Küste des Indischen Ozeans, Tieflandregenwald, Sumpfgebiet, savannenartige Ebenen, Flüsse und Lagunen. Der verbliebene Regenwald ist in viele kleine Fragmente zersplittert. In der Gegend gibt es außerdem ein sehr großes Minenprojekt zum Abbau seltener Erden. 12 von 17 Waldfragmente von St. Luce sind dabei von den Minenarbeiten betroffen. Eine Gruppe von Wissenschaftler hat nun die Herpetofauna des Gebiets näher untersucht.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden Reptilien und Amphibien in St. Luce gesucht und gefangen. Die Suchen wurden mit dem bloßen Auge entlang bestehender Transekte durchgeführt. Zusätzlich wurden Bodenfallen entlang vier je 100 m langer Linien über zwei Wochen genutzt. Fünf künstliche Unterschlupfmöglichkeiten und fünf Wellbleche wurden an insgesamt 12 Orten ausgelegt, um darunter nach einer gewissen Zeit nach Tieren zu sehen.  Proben von Schwanzspitzen und Zehen wurden entnommen und Vermessungen durchgeführt, danach wurden die Tiere wieder an ihren ursprünglichen Fundorten freigelassen. Mittels genetischer Untersuchungen wurden die Arten bestimmt.

Von 17 Regenwaldfragmenten in St. Luce fanden die Wissenschaftler nur eines intakt und ein weiteres zwar intakt, aber stark in sich fragmentiert vor. Alle anderen Waldfragmente wurden mit deutlichen Anzeichen von Habitatzerstörung vorgefunden. Insgesamt konnten 22 Amphibien- und 54 Reptilienarten nachgewiesen werden. Vier Arten von Chamäleons waren unter den Reptilien: Palleon sp. aff. Nasus, Calumma tjiasmantoi, Furcifer major und Furcifer verrucosus. Alle vier Chamäleonarten kamen ausschließlich in den noch verbliebenen intakten oder intakten Bereichen der Wälder Angalavinaky, Ambandrika und Andranangy/Amboronteny/Agnalaro vor. In den Wäldern, die durch die Mine bereits zerstört werden, kamen gar keine Chamäleons vor. Unter den insgesamt 76 gefundenen Amphibien- und Reptilienarten waren 13 candidate species, die vermutlich unbeschriebene neue Arten darstellen.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Artenvielfalt der Herpetofauna in St. Luce nach der vorliegenden Studie deutlich größer ist als früher angenommen. Sie schlagen vor, mehrere Waldfragmente in die “Mining Avoidance Zones“, also Gebiete, in denen nicht nach seltenen Erden gesucht werden soll, aufzunehmen und den Schutzstatus zu erhöhen.

A littoral treasure trove: a comprehensive assessment of the herpetofauna of Sainte Luce, southeastern Madagascar
Sam Hyde Roberts, Marco Sannolo, Hoby Tsimijaly Longosoa, Ryan Clark, Leo Jhaveri, Gonçalo M. Rosa, Walter Cocca, Franco Andreone, Angelica Crottini
Systematics and Biodiversity 23(1): 2513472
DOI: 10.1080/14772000.2025.2513472

Fotos: Aufnahmen gefundener Chamäleon in St. Luce aus der genannten Publikation

Frugivorie bei Furcifer oustaleti

Frugivorie bei Furcifer oustaleti

Beobachtungen Wissenschaft

Frugivorie, das Fressen von Früchten, ist bisher erst von wenigen Chamäleonarten bekannt. Dabei handelt es sich vor allem um einzelne Beobachtungen und wenige Studien. Japanische Wissenschaftler haben kürzlich untersucht, inwiefern Früchte fressenden Reptilien, darunter ein Chamäleon, zur Verbreitung von Pflanzensamen beitragen könnten.

Die Studie wurde im Nationalpark Ankarafantsika im Westen Madagaskars durchgeführt. Dazu wurden drei Arten von Reptilien während zweier Regenzeiten beobachtet und ihr Kot untersucht: Das Madagaskar-Riesenchamäleon Furcifer oustaleti, der Madagaskarleguan Oplurus cuvieri und die Schildechse Zonosaurus laticaudatus. Die Reptilien wurden tagsüber bei Frucht fressendem Verhalten gefilmt oder fotografiert und danach eingefangen. Chamäleons wurden vor allem nachts gefangen. Von Pflanzen, an denen Reptilien gefressen hatten, wurden Früchte mit Samen zur Bestimmung entnommen. Alle gefangenen Reptilien wurden für 6 Tage in Netzbehältern gehalten, bis Kot abgesetzt wurde. Danach wurden die Tiere mit Mikrochips versehen und wieder an ihren Fundorten ausgesetzt. Anschließend versuchten die Wissenschaftler, aus dem Kot der Tiere gewonnene Pflanzensamen zu gewinnen und auszusäen.

Insgesamt konnten 89 Chamäleons, 254 Madagaskarleguane und 38 Schildechsen für die Studie gefangen werden. 24,7% der beprobten Furcifer oustaleti hatten Pflanzensamen im Kot, während es bei den Leguanen 20,1% und bei den Schildechsen 15,8% waren. Die Beobachtungen ergaben, dass die Chamäleons und die Schildechsen von mindestens acht verschiedenen Pflanzen Früchte fraßen, während es bei den Leguanen sogar 18 verschiedene Pflanzenarten waren. Das Aussäen der aus dem Kot gewonnenen Pflanzensamen hatte teils Germinationsraten von über 50%.

Furcifer oustaleti fraß in der Beobachtungszeit in Ankarafantsika ausschließlich rote, schwarze oder braune Früchte mit maximal einem Zentimeter Durchmesser. Grüne oder größere Früchte wurden stets an den Pflanzen belassen. Die Früchte wurden meist zunächst mit der Zunge angetippt, bevor sie tatsächlich gefressen wurden. Manchmal wurden die Früchte auch mit der Zunge geschossen. Es wurden Früchte von Grangeria porosa, Terminalia boivinii, Trilepisium madagascariense, Antidesma madagascariense, Bridelia perviellana, Phyllanthus casticum, Chassalia princei und Doratoxylon chouxii von Furcifer oustaleti aufgenommen. Früchte wurden von den beiden Geschlechtern von Chamäleons und unabhängig von der Körpergröße in jedem der Beobachtungsmonate gefressen.

Die Autoren schließen daraus, dass alle drei Reptilienarten zur Verbreitung von Pflanzen in ihrem Lebensraum beitragen könnten. Bisher hielt man in Ankarafantsika vor allem den braunen Maki (Eulemur fulvus) für einen Saatgutverbreiter. Jetzt sollten die Überlegungen wohl auch auf Reptilien und ihre Rolle für das Ökosystem Wald erweitert werden – auch wenn der Anteil an Samen im Kot deutlich niedriger ist als der bei Lemuren.

Frugivory by three species of lizards in Madagascar: Implication for their ecological roles as seed disperser
Ryobu Fukuyama, Wataru Noyori, Shuichiro Tagane, Shouta Iyoda, Hiroki Sato
Biotropica 57(4): e70052
DOI: 10.1111/btp.70052

Foto: Furcifer oustaleti beim Verzehr von Früchten, Bild aus der oben genannten Publikation

Erstes Wirbeltier mit jährlicher Allochronie: Chamaeleo chamaeleon musae

Erstes Wirbeltier mit jährlicher Allochronie: Chamaeleo chamaeleon musae

Wissenschaft

Allochronie beschreibt das Phänomen, dass zwei oder mehr Populationen einer Art zeitlich unterschiedliche Fortpflanzungszyklen haben, obwohl sie im gleichen Lebensraum vorkommen. Bei der sogenannten jährlichen Allochronie pflanzen sich die Populationen zu unterschiedlichen Jahreszeiten fort. Allochronie ist von vielen verschiedenen Arten bekannt, beispielsweise bei Insekten und Korallen, die zu verschiedenen Zeiten am Tag reproduzieren. Jährliche Allochronie dagegen ist extrem selten und bei Wirbeltieren bisher noch nie nachgewiesen worden. Zwei Wissenschaftler aus Israel haben nun bei Chamäleons dieses Phänomen erstmals festgestellt.

Sie untersuchten zwischen 2009 und 2021 an je zwei Nächten pro Monat die Chamaeleo chamaeleon musae Populationen im Holot Mash’abim Nature Reserve in Israel. Das Reservat liegt im nördwestlichen Bereich der Wüste Negev. Bei der Studie wurden die Chamäleons von einem langsam fahrenden Auto aus mit Taschenlampen entlang eines 4 km langen Weges gesucht. Gefundene Tiere wurden vermessen, das Geschlecht bestimmt, der Fundort aufgenommen und die Krallen in einer bestimmten Abfolge zur Identifikation gekürzt. Alle Tiere wurden innerhalb weniger als 20 Minuten wieder an ihrem Fundort freigelassen. Um das Alter der Tiere einzuschätzen, wurden zum einen die Zeiträume zwischen den Wiederfunden bereits markierter Tiere genutzt, aber auch ein mittels XGBoost entwickelter Algorithmus. Die Chamäleons konnten so den Altersklassen < 1 Jahr, 1-2 Jahre und > 2 Jahre zugewiesen werden. Alle Daten wurden statistisch ausgewertet.

Die erstaunlichen Ergebnisse zeigen, dass Chamaeleo chamaeleon musae wahrscheinlich in zwei voneinander durch jährliche Allochronie getrennte Population in der Wüste Negev vorkommt. In ungeraden Jahren schlüpft eine Population der Chamäleons im September. Diese Tiere überleben etwa bis November des darauffolgenden Jahres. In geraden Jahren schlüpft die zweite Population der Chamäleons, deren Tiere ebenfalls bis zum November des Folgejahrs leben. Die Lebenszeit der beiden Populationen überschneidet sich nur in einem kurzen Zeitraum, in dem gerade die eine Population schlüpft, die bereits adulten Tiere der anderen Population aber gerade Eier legen. Die fortpflanzungsfähigen Chamaeleo chamaeleon musae beider Populationen überschneiden sich damit nicht oder nur sehr selten durch sehr wenige, länger lebende Individuen.

Insgesamt konnten die Wissenschaftler 1289 Chamäleons < 1 Jahr, 231 im Alter von 1 bis 2 Jahren und 27 Chamäleons > 2 Jahre finden. Davon waren 713 Chamaeleo chamaeleon musae bereit als Jungtiere erstmalig gefangen worden, so dass deren Alter sehr gut geschätzt werden konnte. Nur 9 davon wurden im Alter zwischen 1 und 2 Jahren noch einmal wiederentdeckt. Die Überlebensrate der Schlüpflinge bis zu ihrer ersten Fortpflanzungssaison war extrem niedrig. In ungeraden Jahren lag sie bei 1%, in geraden bei 2,5%. Das erste Jahr überlebten sogar noch weniger Chamäleons, mit 0,46% und 1,3%. Beide Populationen von Chamaeleo chamaeleon musae waren im ersten und zweiten Schlupfmonat am größten, um dann zügig abzusinken. Männliche Chamäleons überlebten die erste Fortpflanzungssaison ein bisschen seltener als weibliche, insgesamt war die Überlebensrate aber bei beiden Geschlechtern ähnlich. In jedem Beobachtungsjahr tauchten die ersten Schlüpflinge zwischen Mitte September und Mitte Oktober auf, zum Ende der heißen Saison. Während der kühleren und nässeren Saison von Dezember bis März wurden deutlich weniger Chamäleons, davon die meisten Jungtiere, gefunden.

Diese sehr spannende Studie wirft natürlich viele weitere Fragen auf. Kurzlebige Chamäleons gibt es einige, doch von nur wenigen wie Furcifer labordi ist der gesamte Lebenszyklus überhaupt bekannt oder untersucht. Möglicherweise finden sich noch mehr Wirbeltiere mit jährlicher Allochronie unter den Chamäleons – das gilt es noch zu erforschen!

First evidence of yearly allochrony in a terrestrial vertebrate: A case study of an annual chameleon
Liran Sagi, Amos Bouskila
Ecology 106(6), 2025: e70144
DOI: 10.1002/ecy.70144

Foto: Chamaeleo chamaeleon, fotografiert von Markus Grimm