Nutzen Zwergchamäleons unterschiedlichen Körperbaus unterschiedliche Äste?

Nutzen Zwergchamäleons unterschiedlichen Körperbaus unterschiedliche Äste?

Wissenschaft

Südafrikanische Wissenschaftler haben sich damit beschäftigt, ob sich der Körperbau eines Zwergchamäleons auf die von ihm bevorzugt genutzten Äste auswirkt. In Südafrika sind drei verschiedene sogenannte Ektomorphe, also Körperbautypen, bei Zwergchamäleons der Gattung Bradypodion bekannt: Einmal den Waldtyp. Dieser Typ kommt in geschlossenen Wäldern vor, ist groß mit langem Schwanz, aber dabei relativ zierlich. Typisch für den Waldtyp sind leuchtende Farben und auffällige Kehlsack- und Helmbeschuppung. Der zweite Typ ist der des „kleinen braunen Chamäleons“, das in offenen Lebensräumen wie Heide, Grassavanne oder Fynbos vorkommt. Wie der Name es schon vermuten lässt, ist dieser Chamäleontyp klein, unauffällig braun oder grünlich gefärbt und zeigt eine stark reduzierte Kehl- und Helmbeschuppung. Der dritte Ektomorph ist der Buschlandtyp: Chamäleons in Buschland oder Dickicht, die groß, aber insgesamt eher plump und kurzschwänzig sind, eher unauffällig gefärbt, dabei aber eine auffällige Kehlsack- und Helmbeschuppung aufweisen.

Die Wissenschaftler maßen die Durchmesserung und Winkelung der von verschiedenen Bradypodion-Arten genutzten Ästen. Folgende Arten waren unter den Probanden: B. barabtulum, B. baviaanense, B. caffrum, B. damaranum, B. ketanicum, B. melanocephalum, B. occidentale, B. pumilum, B. setaroi, B. taeniabronchum, B. thamnobates, B. transvaalense und B. ventrale, zusätzlich die drei candidate species „emerald“, „groendal“ und „karkloof“. Chamäleons aus 38 verschiedenen Populationen in ganz Südafrika wurden jeweils nachts vermessen und in eine der drei genannten Körperbau-Typen sortiert. Zusätzlich wurde entlang je 100 m langer, zufällig ausgewählter Transekte alle 10 m Ast-Durchmesser und -winkel im Umkreis von je einem Meter vermessen.

Anschließend wurden die Daten statistisch ausgewertet. Im Zeitraum von 2007 bis 2024 konnten insgesamt 1755 adulte Bradypodion und deren Äste vermessen werden. Im Wald stand den Chamäleons eine wesentlich höhere Vielfalt and Durchmesser und Winkelung geeigneter Äste zur Verfügung als in den beiden anderen Habitaten. Die Chamäleons zeigten im Wald keine Bevorzugung bestimmter Äste, sondern „nutzten was da war“. Der Lebensraum der „kleinen braunen Chamäleons“ dagegen wies deutlich mehr vertikale, dünnere Äste als der Wald auf, die aber eine ähnliche Winkelung hatten. Die Dichte an Zweigen war in diesem Habitat am höchsten. Die „kleinen braunen Chamäleons“ wählten jedoch signifikant weniger häufig vertikale und meist auch dickere Äste als in ihrem Lebensraum vorhanden gewesen wäre. Im Buschland fanden die Wissenschaftler mehr vertikale und dünnere Äste als im Wald, und in der Zahl unterschieden sich die Äste nicht vom offenen Lebensraum wie Fynbos, aber durch einen anderen Astdurchmesser. Der Buschland-Körpertyp war größer als in den beiden anderen Lebensräumen. Auffällig war bei den Buschland-Chamäleons, dass Weibchen lieber dickere Äste nutzten und auch lieber weniger vertikale Äste als vorhanden waren.

Die Studie zeigt, dass tatsächlich unterschiedliche Ektomorphe von Zwergchamäleons in Südafrika auch unterschiedliche Lebensraumstrukturen besetzen.

Comparing perch availability and perch use between African dwarf chameleon (Bradypodion) ectomorphs
Jody M. Barends, Melissa A. Petford, Krystal A. Tolley
Current Zoology 71(5), 2025: 633-644
DOI: 10.1093/cz/zoae076
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Grafik: Die drei unterschiedlichen Körperbau-Typen, aus der oben genannten Publikation

Gencodierung bei Chamäleonzähnen

Gencodierung bei Chamäleonzähnen

Wissenschaft

Chamäleons verfügen über akrodonte, das heißt dem Knochen direkt aufsitzende, Zähne. Säuger dagegen haben sogenannte Alveolen, in denen die Zähne sitzen. Wissenschaftler aus Michigan (USA) haben nun die genetische evolutionäre Entwicklung der Zahnstrukturen im Vergleich von Säugetieren zu akrodonten Reptilien untersucht.

Dazu verglichen sie die Genome von 24 akrodonten Reptilien und 12 Säugetierarten. Unter den akrodonten Reptilien befanden sich unter anderem die Chamäleonarten Furcifer pardalis, Trioceros harennae und Chamaeleo calyptratus sowie nicht auf Artebene bestimmte Chamäleons der Gattungen Chamaeleo, Bradypodion und Trioceros.  Die Gene für Aminosäuren, aus denen bestimmte Eiweiße des Zahnschmelzes gebaut werden, wurden mittels verschiedener Berechnungen und Analysen verglichen.

Dabei kam heraus, dass der Verlust des Zahnwechsels bei akrodonten Reptilien tatsächlich zu Veränderungen in den Genen für die Zahnschmelzbildung führte.

Reduction of tooth replacement disproportionately affects the evolution of enamel matrix proteins

John Abramyan, Gengxin Li, Hannah Khansa
Journal of Molecular Evolution 93, 2025: 494-510.
DOI: 10.1007/s00239-025-10258-4
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Foto: Präparat eines Pantherchamäleon-Schädels mit akrodonten Zähnen, fotografiert von Alex Negro

Vergleiche zwischen Zwergchamäleons in Südafrika

Vergleiche zwischen Zwergchamäleons in Südafrika

Wissenschaft

Südafrikanische Wissenschaftler haben sich kürzlich damit beschäftigt, ob drei sehr nah verwandte Bradypodion Linien in der Provinz Ostkap, Südafrika, auf Grund ihrer unterschiedlichen Lebensräume unterschiedlich entwickelt haben oder andere Ursachen dafür verantwortlich sind.

Die Wissenschaftler beschäftigen sich mit den beiden Arten Bradypodion ventrale aus der Nama-Karoo und Bradypodion taeniabronchium aus den Elandsberg und Tsitsikamma Mountains und dem Fynbos von Thyspunt und Honeyville sowie einer bisher nicht als eigenen Art beschriebenen Population von Zwergchamäleons aus dem Fynbos der Groot Winterhoek Mountains. Letztere werden, da sie unter anderem im Groendal Nature Reserve vorkommen, häufig als Bradypodion sp. „groendal“ bezeichnet.

Nachts wurden mittels Taschenlampe und bloßen Augen Chamäleons gesucht. Adulte Chamäleons mit einer Körperlänge (SVL) von über 36 mm wurden über Nacht mitgenommen, um am nächsten Tag wieder an der Fundstelle ausgesetzt zu werden. Alle Tiere wurden genau vermessen. Gewebeproben von der Schwanzspitze wurden entnommen. Zusätzlich wurde die Astdicke und -höhe der Äste gemessen, auf denen die Chamäleons gefunden wurden. Weitere Astdicken wurden entlang je drei 100 m langer Transekte in jeder Population aufgezeichnet. Die erhobenen Daten wurden statistisch ausgewertet, die Gewebeproben genetisch untersucht.

Insgesamt konnten 232 Chamäleon für die Studie beprobt werden. Bradypodion taeniabronchium zeigte deutlich kleinere Kopfmerkmale als die beiden anderen Arten, dafür aber größere Hände und Füße. Bradypodion ventrale war insgesamt größer als die anderen, hatte aber längere Extremitäten. Bradypodion taeniabronchium nutzte die breitesten Äste (durchschnittlich 2,83 mm im Durchmesser), aber auch die niedrigsten (durchschnittlich 82 cm über dem Boden). Bradypodion ventrale dagegen nutze die dünnsten Äste (durchschnittlich 1,52 mm im Durchmesser), dafür aber die höchsten (durchschnittlich knapp 93 cm über dem Boden).

Die Forscher stellten fest, dass es bei allen drei Populationen von Zwergchamäleons eine erhöhte äußere Ähnlichkeit (Konvergenz) gab, wenn sie in gleichen Lebensräumen vorkamen und sich Chamäleons weniger ähnlich sahen (Divergenz), wenn sie in unterschiedlichen Lebensräumen vorkamen. Die Zwergchamäleons nutzten dabei nach Populationen getrennt bestimmte Astdicken bevorzugt, obwohl in ihrem Lebensraum auch andere Äste vorhanden gewesen wären. Die Autoren weisen zuletzt auch darauf hin, dass alle bisher vorhandenen Indizien dafür sprechen, dass die noch nicht beschriebenen Zwergchamäleons des Groendal Nature Reserves eine eigene Art darstellen.

Ecological factors promote convergent evolution and ecological speciation in dwarf chameleons (Bradypodion)
Krystal A. Tolley, Devon C. Main, Keith M. Dube, Bettine Jansen van Vuuren, Jessica M. da Silva
Zoosystematics and Evolution 101(3) 2025: 1227-1247
DOI: 10.3897/zse.101.151926

Foto: Bradypodion ventrale, aus der genannten Publikation

Nutzen von UV-Fluoreszenz bei Zwergchamäleons

Nutzen von UV-Fluoreszenz bei Zwergchamäleons

Wissenschaft

Chamäleons verfügen vor allem am Kopf über fensterartige, durchscheinende Schuppen über bestimmten Knochenfortsätzen. Bescheint man den Knochen an diesen Stellen mit UV-Licht, leuchten die Bereiche auf. Man geht bisher davon aus, dass diese UV-Fluoreszenz bzw. die fluoreszierenden Tuberkel zur innerartlichen Kommunikation verwendet werden. Südafrikanische Wissenschaftler haben dies nun an Zwergchamäleons weiter untersucht.

Fünf Bradypodion-Arten in verschiedenen Lebensräumen (Fynbos, Wald, Buschland) wurden dafür untersucht.

Wenn die fluoreszierenden Tuberkel der Kommunikation zwischen Männchen und Weibchen bei der Fortpflanzung dienen, müsste man annehmen, dass sich ihre Anzahl zwischen Männchen und Weibchen stark unterscheidet. Chamäleons, die in einem dichten Wald leben, müssten außerdem mehr davon aufweisen als Tiere in offenem und damit für Fressfeinde einfach einzusehendem Gelände.

Das Ergebnis der Studie ist ganz erstaunlich: Das jeweils größere Geschlecht der verschiedenen Zwergchamäleon-Arten wies die höhere Anzahl an fluoreszierenden Tuberkeln auf. Bradypodion gleicher Größe hatten dagegen immer in etwa die gleiche Zahl an fluoreszierenden Tuberkeln am Kopf. Die verschiedenen Lebensräume schienen keinen Einfluss auf die Zahl der fluoreszierenden Tuberkel zu haben. Auch zwischen sehr von Menschen beeinflussten Lebensräumen wie Gärten und naturnahen, unberührten Landschaften bestand kein Unterschied.

Die Autoren schließen daraus, dass die fluoreszierenden Knochentuberkel bei südafrikanischen Zwergchamäleons wohl eher nicht zur Kommunikation genutzt werden. Es bleibt nun spannend, ob dies auch bei anderen Chamäleonarten der Fall ist.

Body size, not habitat or sex, best explains the extent of ultraviolet fluorescence in African dwarf chameleons (Bradypodion)
Jody M. Barends, Wade K. Stanton-Jones, Graham J. Alexander, Krystal A. Tolley
Journal of Zoology
DOI: 10.1111/jzo.70032

Foto: stammt aus der oben genannten Publikation

Das Mikrobiom im Darm südafrikanischer Zwergchamäleons

Das Mikrobiom im Darm südafrikanischer Zwergchamäleons

Wissenschaft

Schon seit einigen Jahren ist der Begriff Mikrobiom in aller Munde. Darunter versteht man im Darm die Gesamtheit aller Mikroorganismen, vor allem Bakterien, die die Schleimhaut des Darms besiedeln. Nun hat sich eine Forschergruppe in Südafrika erstmals mit dem Darm-Mikrobiom bei Chamäleons und mit der Veränderung desselben in unterschiedlichen Lebensräumen beschäftigt.

Drei Arten Zwergchamäleons wurden nachts in der Provinz KwaZulu Natal mit Hilfe von Taschenlampen gesucht: Bradypodion melanocephalum, Bradypodion thamnobates und Bradypodion setaroi. Alle Tiere wurden 24 h in Behältern untergebracht und dann wieder an der Fundstelle freigelassen. Pro Art wurden je 10 Backenabstriche und 10 Kotproben jeweils in einem natürlichen und einem städtischen Lebensraum gesammelt, so dass insgesamt 120 Proben zusammenkamen. Im Labor wurde aus den Proben DNA extrahiert, per PCR vervielfältigt und anschließend sequenziert. Phylogenetische Bäume wurden erstellt und statistische Vergleiche zwischen den Proben vorgenommen.

Die Proben wurden zusätzlich auf Zoonose-Erreger wie Salmonellen untersucht. Im humanpathogenen Bereich konnten aber lediglich Campylobacter, Escherichia und Serratia im Kot nachgewiesen werden. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass das Zoonosepotenzial des Mikrobioms von Zwergchamäleons sehr gering ist.

Insgesamt konnten im Mikrobiom der Zwergchamäleons knapp 350 verschiedene Bakterienarten nachgewiesen werden, was anderen Reptilien wie Anolis und Schildkröten entspricht. Proteobakterien, Firmicutes und Bacteroidota waren in allen Proben am häufigsten vorhanden. Insgesamt war das Mikrobiom sich sowohl bei Backenabstrich als auch Kotproben sehr ähnlich mit nur wenigen Ausnahmen und nur artabhängig etwas unterschiedlich. Die Unterschiede im Mikrobiom zwischen natürlichen und städtischen Lebensräumen waren sehr viel geringer als gedacht. Das Mikrobiom des Backenabstrichs in städtischer Umgebung lebender Bradypodion melanocephalum wies mehr Caulobacteraceae und weniger Enterococcaceae auf als das in natürlichen Habitaten, und im Kot städtischer Tiere waren häufiger Desulfovibrionaceae. Das Mikrobiom von Bradypodion thamnobates wies in den Kotproben städtisch vorkommender Chamäleons mehr Ruminococcaceae und Akkermanisaceae auf. Auffällig ist bei den Zwergchamäleons der Unterschied zwischen den Mikrobiota im Mund und Enddarm, der so bei anderen Wirbeltieren bisher nicht festgestellt werden konnte. Es ist noch offen, ob Chamäleons im Tierreich ein besonderes Mikrobiom haben, das diese Unterschiede begründen könnten.

Anthropogenic reverberations on the gut microbiome of dwarf chameleons (Bradypodion)
Matthew G. Adair, Krystal A. Tolley, Bettine Jansen van Vuuren, Jessica Marie da Silva
PeerJ 13, 2025
DOI: 10.7717/peerj.18811

Foto: Bradypodion melanocephalum, fotografiert von Marius Burger

Zwergchamäleons in Südafrika in städtischer Umgebung größer als in der Natur

Zwergchamäleons in Südafrika in städtischer Umgebung größer als in der Natur

Wissenschaft

Zwergchamäleons der Gattung Bradypodion aus Südafrika sind seit Längerem dafür bekannt, sich sehr gut auch an städtische Lebensräume anzupassen. Zwei Wissenschaftler Aus Kapstadt und Johannesburg haben nun untersucht, wie sich verschiedene Populationen in Körpergröße, -gewicht und Body Condition Score voneinander innerhalb städtischer und natürlicher Umgebungen unterscheiden.

Untersucht wurden innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren insgesamt 1107 Individuen von fünf verschiedenen Zwergchamäleon-Arten. Dazu wurden Bradypodion damaranum in George (Westkap), Bradypodion melanocephalum in Durban (KwaZulu-Natal), Bradypodion setaroi in St. Lucia (KwaZulu-Natal), Bradypodion thamnobates in Howick (KwaZulu-Natal) und Bradypodion ventrale in Jeffrey’s Bay (Ostkap) and jeweils drei bis acht Standorten nachts gesucht. Als “natürlicher Standort” wurden Waldfragmente, Grassavannen oder Küstenbuschland in weniger als 15 km Entfernung vom Zentrum der nächsten Stadt eingestuft. Als „städtisch“ wurde alle Standorte eingestuft, die innerhalb einer Stadt lagen und aus sowohl eingeschleppter als auch einheimischer, von Menschenhand regelmäßig zurückgeschnittener Flora bestanden (Gärten, öffentliche Parks und Grünflächen, Straßenränder). Die gefundenen Zwergchamäleons wurden vermessen, gewogen, geschlechtsbestimmt und mit einem Filzstift markiert, um doppelte Messungen an gleichen Tieren zu vermeiden. Offensichtich trächtige Weibchen wurden nicht vermessen.

Bei der statistischen Auswertung und Vergleichen fiel auf, dass die Chamäleons an natürlichen Standorten im Durchschnitt stets kleiner und leichter waren als die Populationen der gleichen Arten an städtischen Standorten. Signifikant größer und schwerer in der Stadt waren bei Bradypodion damaranum beide Geschlechter, bei Bradypodion melanocephalum, ventrale und setaroi die Männchen und bei Bradypodion thamnobates die Weibchen. Der Body Condition Score war in Stadtgebieten bei beiden Geschlechtern von Bradypodion damaranum und setaroi sowie Männchen von Bradypodion melanocephalum höher als bei den Chamäleons an Naturstandorten. Bei Bradypodion ventrale und thamnobates zeigten sich keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Populationen im Body Condition Score.

Forschung, wie es genau zu diesen spannenden Unterschieden kommt, steht noch aus.

Big cities, big bodies: urbanisation correlates with large body sizes and enhanced body condition in African dwarf chameleons (Genus: Bradypodion)
Jody M. Barends, Krystal A. Tolley
African Zoology 2024, 59(3)
DOI: 10.1080/15627020.2024.2402256

Foto: Bradypodion melanocephalum, fotografiert von suncana, Lizenz Creative Commons Attribution 4.0 International

 

Phylogenetik bei afrikanischen Zwergchamäleons

Phylogenetik bei afrikanischen Zwergchamäleons

Wissenschaft

In den Archiven von Museen und anderen zoologischen Sammlungen sind nach wie vor viele Einzel-Gen-Fragmentdaten enthalten. Obwohl es heute relativ einfach möglich ist, ganze Genome zu entschlüsseln und Material zur Aufbewahrung entsprechend zu präparieren, war es das früher lange Zeit nicht. Wissenschaftler an der Universität von Johannesburg (Südafrika) haben nun untersucht, ob und wenn ja welche Bestandteile dieser Einzelgene bei Zwergchamäleons Rückschluss auf das gesamte Genom bezüglich der Erstellung von phylogenetischen Stammbäumen geben können.

Von 44 Zwergchamäleons wurden während diverser Expeditionen zwischen 2010 und 2022 Proben in Form von abgeschnittenen Schwanzspitzen entnommen. Die beprobten Tiere wurden in den Provinzen Eastern Cape, KwaZulu-Natal, Limpopo, Mpumalanga, Northern Cape und Western Cape gefangen und wieder freigelassen. Sie gehörten zu den Arten Bradypodion barbatulum, caeruleogula, caffrum, damaranum, gutturale, melanocephalum, ngomeense, occidentale, pumilum, setaroi, taeniabronchum, thamnobates, transvaalense, ventrale, venustum sowie candidate species aus Greytown, Kamberg. Karkloof Forest und Gilboa Forest in KwaZulu-Natal. Als Referenzgenom wurde ein bereits vorhandenenes Mitogenom eines Chamaeleo chamaeleon verwendet. Außerdem wurden die Mitogenome von sieben anderen Genera zum Vergleich aus der GenBank geladen.

Aus allen Proben wurde DNA extrahiert und phylogenetisch mit unter anderem Geneious Prime und IQ-Tree analysiert. Insgesamt 22 verschiedene Alignments konnten erstellt werde: Ein vollständiges Mitogenom-Alignment (ohne tRNA), 15 Alignments einzelner Loci, das kurze Fragment von 16S, ein häufig verwendetes COI-Fragment, eine Verkettung von 16S-Fragment mit ND2, eine Verkettung von ND2 und ND5, eine Verkettung der beiden ribosomalen Untereinheiten  und eine Verkettung aller proteinkodierenden Gene (PCG).  Eine statistische Auswertung der Daten folgte.

Die Ergebnisse zeigten, dass die vollständige Mitogenom-Topologie weitestgehend mit den bisher veröffentlichten Phylogenesen afrikanischer Zwergchamäleons aus ND2-16S-Verkettungen übereinstimmen. Die Phylogenese basierend auf den ND2-Fragmenten erwies sich als stabiler und war sogar noch näher am Mitogenom dran. Diese Genfragmente sind also gut dazu geeignet, ein Genom und damit eine Chamäleon-Art phylogenetisch einzuordnen. Ein paar Unterschiede zu den bisher veröffentlichten Phylogenesen gab es jedoch auch. Die Mitogenom-Topologie sieht Bradypodion setaroi und Bradypodion caffrum als Schwestertaxa an. Außerdem gehört Bradypodion ngomeense möglicherweise genetisch in die Bradypodion transvaalense clade hinein, anstatt nur ein Schwestertaxon derselben zu sein.

The efficacy of single mitochondrial genes at reconciling the complete mitogenome phylogeny – a case study on dwarf chameleons
Devon C. Main, Jody M. Taft, Anthony J. Geneva, Bettine Jansen van Vuuren, Krystal A. Tolley
PeerJ 12:e17076, 2024
DOI: 10.7717/peerj.17076

Foto: Bradypodion transvaalense, fotografiert von Ryan van Huyssteen, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Knysna-Zwergchamäleons: Stadt vs. Wald als Lebensraum

Knysna-Zwergchamäleons: Stadt vs. Wald als Lebensraum

Wissenschaft

Wie verändern sich eigentlich Chamäleons, wenn der natürliche Lebensraum menschlichen Siedlungen weichen muss? Genau dieser Frage gingen kürzlich internationale Wissenschaftler auf den Grund. Sie vermuteten, dass ein Chamäleon sich innerhalb einer Vorstadt bei den Verletzungshäufigkeit, äußeren Merkmalen und Bisskraft von im Wald lebenden Artgenossen als Ausdruck veränderter Lebensbedingungen unterscheiden müsse.

Zwischen 2020 und 2022 wurden dazu 276 Knysna-Zwergchamäleons (Bradypodion damaranum) in Südafrika untersucht. Als Orte wurden George und Knysna ausgewählt, zwei rund 60 km voneinander entfernt liegende Städte an der Südküste Südafrikas. George wurde 1811 gegründet und hat inzwischen über 220.000 Einwohner, während Knysna 1825 gegründet wurde und aktuell knapp 76.000 Einwohner hat, die jedoch auf deutlich weniger Raum und damit wesentlich dichter siedeln. In beiden Städten wurden Bradypodion damaranum in städtischer Umgebung (private Gärten, öffentliche Parks, Straßenrand) gefangen, untersucht und anschließend wieder freigelassen. Die Chamäleons wurden jeweils 10 bis 12 km entfernt ebenfalls in ihrem natürlichen Lebensraum (gemäßigter Wald) untersucht. Die adulten Chamäleons wurden vermessen und fotografiert. Die Daten wurden mit verschiedenen Methoden ausgewertet und verglichen. Als Verletzung wurden Wunden, Narben und mit dem bloßen Auge sichtbare Knochenbrüche gezählt. Zur Messung der Beißkraft wurden die Tiere je fünf Mal animiert, auf ein spezielles piezoelektrisches Messgerät zu beißen.

Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Zwergchamäleons in städtischer Umgebung deutlich niedrigere Helme und kürzere Kehlkämme hatten. Die Männchen aus der Stadt jedoch hatten größere und breitere Schädel. Die weiblichen Zwergchamäleons aus dem Wald wiesen deutlich größere Helmspitzen auf. Die Männchen in der Stadt wiesen deutlich häufiger Verletzungen auf (88,1%) gegenüber den Männchen im Wald (72,5%) . In der Stadt bissen die Zwergchamäleons außerdem fester zu als im Wald, wenn Helmhöhe und Parietalkamm in die Berechnungen einbezogen wurden. Wurde die Kopf-Rumpf-Länge stattdessen einbezogen, zeigte sich jedoch kein Unterschied in der Beißkraft.

Differences between urban and natural populations of dwarf chameleons (Bradypodion damaranum): a case of urban warfare?
Melissa A. Petford, Anthony Herrel, Graham J. Alexander, Krystal A. Tolley
Urban Ecosystems 2023
DOI: 0.1007/s11252-023-01474-1

Das Mikrobiom von Zwergchamäleons

Das Mikrobiom von Zwergchamäleons

Tiermedizin Wissenschaft

Seit einigen Jahren schon ist der Begriff des Mikrobioms sehr populär. Man bezeichnet damit bei Mensch und Tier die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die ein Lebewesen besiedeln. Die meisten davon besiedeln den Magen-Darm-Trakt. Bei Chamäleons existiert zu diesem Thema bisher nur sehr begrenzte Literatur. Eine Masterarbeit aus Südafrika beschäftigt sich nun mit der bakteriellen Zusammensetzung des Mikrobioms bei südafrikanischen Zwergchamäleons der Gattung Bradypodion.

Es wurden 60 Backenabstriche von wild lebenden Chamäleons in KwaZulu-Natal entnommen. Davon waren 20 Backenabstriche von Bradypodion melanocephalum, 20  von Bradypodion thamnobates und 20 von Bradypodion setaroi. Die gleichen 60 Tiere wurden nach der Beprobung in Stoffsäckchen zur Forschungsbasis transportiert, wo die Tiere 24 Stunden lang in 3,3 l-Boxen gehalten wurden, um Kotproben zu bekommen. Da nicht alle der ursprünglichen 60 Chamäleons Kot absetzten, wurde Kot von weiteren Chamäleons gesammelt.

Die Proben wurden allesamt genetisch untersucht. 40,43% der Proben enthielten Firmicutes, einen ähnlich großen Anteil der Proben enthielten mit 36,86% Proteobacteria. Mit etwas Abstand folgten dann Bacteroidota, die in knapp 16% der Proben nachgewiesen werden konnten. In deutlich geringerer Anzahl (bis 2%) kamen Verrucomicrobiota, Fusobacteriota, Actinobateriota, Spirochäten, Desulfobakteroa, Cyanobakterien, Thermoplamatota, Deferribacterota, Synergistota, Campylobacterota, Deinococcota, Halobacterota, Euryarchaeota, Elusimicrobiota und Myxococcota vor.

Das Mikrobiom bei Zwergchamäleons der Arten Bradypodion melanocephalum, Bradypodion thamnobates und Bradypodion setaroi ähnelt insgesamt dem anderer Reptilien. Es besteht vor allem aus Proteobakterien und Firmicutes, die womöglich zur Verdauung beitragen. Eine bestimmte Bakterienart deutet außerdem darauf hin, dass zur Nahrung der untersuchten Zwergchamäleons Käfer der Gattung Dendrophagus gehören könnten. Das Mikrobiom aller drei Zwergchamäleon-Arten ähnelte sich bei den Backenabstrichen stark – man spricht hier von einer Phylosymbiose –  während es im Kot Unterschiede in der Zusammensetzung zwischen den Arten gab. Dabei war es bei allen drei Zwergchamäleon-Arten so, dass im Kot deutlich mehr unterschiedliche Bakterien als in den Backenabstrichen gefunden wurden. Ein Vergleich zwischen Männchen und Weibchen erbrachte keine wesentlichen Unterschiede im Mikrobiom aller drei Chamäleonarten. Der Autor geht davon aus, dass die Bakterienarten von den unterschiedlichen Habitaten der jeweiligen Art abhängen. Unklar ist noch, inwiefern das Mikrobiom mit Bakterien zusammenhängt, die ein Chamäleon vielleicht mit Futterinsekten oder vom Boden seiner Umgebung aufnimmt. Eine ausführliche Auflistung der vorgefundenen Bakterienarten findet sich im Anhang der Publikation.

The Hitchhiker’s Guide to dwarf chameleons (Bradypodion): The composition and function of the microbiome
Matthew G. Adair
Master of Science Dissertation an der Universität von Johannesburg, 2023
DOI: nicht vorhanden

Wirbelsäulen von Baum- und Boden bewohnenden Chamäleons

Wirbelsäulen von Baum- und Boden bewohnenden Chamäleons

Tiermedizin Wissenschaft

Von Säugetieren, insbesondere Primaten, sind verschiedene anatomische Anpassungen der Wirbelsäule zwischen Boden- und Baumbewohnern bekannt. Teils werden die unterschiedlichen Wirbel sogar mit bestimmten Bewegungsmustern verbunden. Zwei Wissenschaftler aus New York (USA) haben nun in einer vergleichenden Studie untersucht, worin sich die Wirbelsäule Boden und Baum bewohnender Chamäleons unterscheidet.

Sie vermaßen die bereits vorhandenen CT-Scans auf Morphosource.org von insgesamt 28 Chamäleons verschiedener Arten. Brookesia perarmata, Brookesia superciliaris, Brookesia thieli, Palleon nasus, Rhampholeon platyceps, Rhampholeon spectrum, Rieppeleon brevicaudatus und Rieppeleon kerstenii wurden als Bodenbewohner eingeteilt. Archaius tigris, Bradypodion melanocephalum, Bradypodion pumilum, Bradypodion thamnobates, Calumma amber, Calumma brevicorne, Calumma parsonii, Chamaeleo calyptratus, Chamaeleo gracilis, hamaeleo zeylanicus, Furcifer lateralis, Furcifer pardalis, Furcifer verrucosus, Kinyongia carpenteri, Kinyongia tavetana, Kinyongia xenorhina, Nadzikambia mlanjensis, Trioceros feae, Trioceros jacksonii und Trioceros quadricornis wurden als Baumbewohner betrachtet. Die Wirbel wurden gezählt und Breite der Lamina, Länge, Breite, Höhe des Wirbelkörpers sowie die Höhe des Dornfortsatzes und der Querfortsätze an jedem Wirbel gemessen. Zusätzlich wurde der sogenannte präzygapophyseale Winkel bestimmt. Dabei handelt es sich um den Winkel des Zwischenwirbelgelenks, also der Kontaktflächen zwischen den einzelnen Wirbeln. Die Messungen von Boden- und Baumbewohnern wurden miteinander verglichen und statistisch ausgewertet. Betrachtet wurde dabei lediglich die Wirbelsäule des Rumpfes, die Schwanzwirbelsäule blieb außen vor.

Zunächst fiel bei den Ergebnissen auf, dass Boden bewohnende Chamäleons generell weniger Rumpfwirbel (15 bis 19) als Baum bewohnende Chamäleons (18 bis 23) aufweisen. Die Rumpfwirbelsäule konnte bei fast allen Arten in die schon bekannten drei Bereiche eingeteilt werden: Halswirbelsäule sowie vordere und hintere Rückenwirbelsäule. Eine Brust- und Lendenwirbelsäule wie beim Säugetier unterscheidet man beim Chamäleon wegen der durchgehenden Rippen allgemein nicht. Bei fünf Chamäleonarten existierten statt der drei Regionen vier: Sie zeigten eine vordere und eine hintere Halswirbelsäule, wobei die vordere lediglich aus zwei Wirbeln mit Rippenfortsätzen bestand. Sechs Chamäleonarten wiesen zwei zusätzliche Lendenwirbel auf und bei einer Art kamen drei Übergangswirbel im Bereich zwischen Hals- und Rückenwirbelsäule vor. Bei Kinyongia carpenteri konnten insgesamt sogar fünf Regionen in der Rumpfwirbesäule unterschieden werden: Das Chamäleon wies sowohl vordere und hintere Halswirbelsäule als auch vordere und hintere Rückenwirbelsäule sowie zwei zusätzliche Lendenwirbel auf. Brookesia perarmata war ebenfalls ein Sonderfall: Die Rumpfwirbelsäule dieses Chamäleons bestand nur aus zwei Regionen und gleichzeitig aus der geringsten Zahl Wirbeln aller untersuchter Arten.

Die größten Unterschiede zwischen Boden und Baum bewohnenden Chamäleons zeigten sich im präzygapophysealen Winkel (PZA) und der Höhe des Dornfortsatzes. Die Zwischenwirbelgelenksflächen im vorderen Rückenwirbelbereich der Baum bewohnenden Chamäleons waren deutlich mehr dorsoventral orientiert und kleiner als bei Boden bewohnenden Arten. Etliche Baumbewohner zeigten einen PZA von weniger als 90°. Bei Baum bewohnenden Chamäleons befanden sich die größten Dornfortsätze am Übergang von der Hals- zur Rückenwirbelsäule. Ähnlich verliefen die Dornfortsätze unter den Boden bewohnenden Arten lediglich bei Palleon nasus. Bei Boden bewohnenden Chamäleons variierte das Aussehen des Dornfortsatzes sehr stark. Beispielsweise Rieppeleon zeigte schmale, nach hinten geneigte Dornfortsätze, während die Dornfortsätze bei Brookesia eher eine Art Knochenbrücke als einen Fortsatz darstellten. Eine Ausnahme stellte Archaius tigris dar: Die Dornfortsätze bei diesem Chamäleon unterschieden sich kaum entlang der gesamten Wirbelsäule.

Die Autoren schließen aus den Ergebnissen, dass die Anatomie der unterschiedlichen Wirbelsäulen stark mit der Lebensweise der Chamäleons und der unterschiedlichen Fortbewegung zu tun haben. Die Zwischenwirbelgelenksflächen bei Baum bewohnenden Chamäleons sind wahrscheinlich für das Klettern wichtig, indem sie die Funktion des Schultergürtels unterstützen. Eine verringerte Beweglichkeit in der mediolateralen Ebene sorgt für eine größere Steifigkeit des Rumpfes, was Baumbewohnern das Klettern erleichtert. Eine Versteifung des Achsenskeletts (Schädel, Rumpfwirbelsäule und Brustkorb) ist auch von Baum bewohnenden Säugetieren bekannt. Die größeren Dornfortsätze bei größeren Chamäleons könnte die Rotation des Schultergürtels und die Muskelbewegung erleichtern, wodurch eine größere Schrittlänge, eine bessere Unterstützung des Kopfes und damit gegebenenfalls eine leichtere Futteraufnahme einherginge.

Morphological and functional regionalization of trunk vertebrae as an adaption for arboreal locomotion in chameleons
Julia Molnar, Akinobu Watanabe
Royal Society Open Science 10, 2023: 221509
DOI: 10.1098/rsos.221509

Abbildung: Wirbelsäulen verschiedener Chamäleonarten